Ich habe heute auf 2Bier.de einen Text gelesen der als Antwort auf diesen Beitrag zu werten ist. Nach über 100 Kommentaren, die der Autorin Anabel Schunke auch noch Recht geben, dachte ich mir, es ist vielleicht das Beste auch einen eigenen Artikel darüber zu verfassen, als einen Kommentar zu verfassen, bevor ich von der Anhängerschaft der wie sie sich selbst bezeichnet: “liberal-konservativen Meinungsseite” vollgebombt werde mit Hetzkommentaren.
In dem Artikel von Anabel Schunke geht es um eine Lehrerin, die aus ihrem beruflichen Alltag mit Flüchtlingskindern erzählt. Doch bereits im ersten Absatz kommen alle Vorurteile und alle Ziele, der Autorin zum Vorschein. Er ist so vorbelastet, dass man kaum weiterlesen muss um zu erfahren, dass es hier nur darum geht weiteres Öl ins Feuer zu geben.
[…] Es seien einfach zu viele und überhaupt: Wieso sollte ausgerechnet jetzt klappen, was doch vorher auch schon nicht funktionierte? […]
Was hat denn vorher schon nicht funktioniert? Integration? Wenn ich an Integration denke, dann denke ich an die vielen Dönerläden und chinesischen Restaurants, die man überall findet. Dann denke ich an die vielen Ärzte ausländischer Herkunft und an die vielen Fachkräfte, die hier genau das stemmen, was “wir” im Zuge des Fachkräftemangels nicht im Stande sind zu stemmen. Was hat daran also bitte nicht funktioniert?
Weiter geht es damit, dass wenn die “alte Generation schon verloren ist, dass man ja annimmt das die jungen noch formbar sind, doch damit völlig falsch liegt.
[…]Zwar hat man auch in der Vergangenheit nicht selten die frustrierende Erfahrung machen müssen, dass selbst Deutsche mit Migrationshintergrund aus der dritten und vierten Generation der Gastarbeiter-Familien öfter nicht richtig integriert sind, dennoch herrscht innerhalb der Gesellschaft ein breiter Konsens und eine tiefe Überzeugung, dass gerade die Jüngsten noch am formbarsten und damit am besten zu integrieren seien.[…]
Die Autorin teilt diesen Konsens offenbar nicht, sonst hätte sie es nicht so geschrieben wie sie es geschrieben hat. Ich frage mich nur, wen sie genau meint, wenn sie von dritter und vierter Generation spricht. Wahrscheinlich Kinder und Enkelkinder von Gastarbeitern. Diese sind jedoch entweder schon längst wieder zuhause oder in der Regel gut integriert. Demnach kann man auch im statistischen Bundesamt nachlesen dass 65% aller Menschen mit Migrationshintergrund einer Beschäftigung nachgehen. Hier sind allerdings alle Migranten gemeint, nicht nur diejenigen der 3. und 4. Generation, deren Anteil am Erwerbsleben noch einmal höher, wenn nicht sogar gleichauf mit dem deutschen Durchschnitt liegt. Somit kann man diese These mit einer einfachen Statistik wiederlegen. Woher nimmt eigentlich unsere Autorin ihre Informationen?
Nach dieser kurzen populistischen Einführung geht es weiter. Angebliche Beispiele, dass die Integration nicht funktioniert, zeigt doch nur wie schlecht die Umsetzung der Bildung für Flüchtlinge abläuft, wie überfordert alle Beteiligten sind. Das ist kein Beispiel für Integrationsunwilligkeit, sondern ein Beweis dafür, dass unsere Behörden auf allen Ebenen völlig versagen. So gibt es sogenannte Willkommensklassen, in denen die Schüler auf den regulären Unterricht vorbereitet werden sollen. Für diese zwei Klassen gibt es allerdings nur einen Lehrer.
Zudem kämen Schüler ohne Vorwarnung. Es wird nicht überprüft ob Kapazitäten vorhanden sind. Langsam muss man den Artikel beim Lesen schon ironisch beurteilen. Liebe Autorin. Das ist aber auch ein schlimmer Beweis, für die Integrationsunwilligkeit unserer Flüchtlinge [ironie off]. Für mich vielmehr ein Beweis, dass von politischer Seite viel mehr getan werden muss.
Im weiteren Bericht geht hervor, wie man den Alltag in regulären Klassen mit Flüchtlingskindern so als Lehrer erlebt. Lehrerin Sonja erzählt noch, dass die meisten Kinder vermutlich auf Grund von Traumata verhaltensauffällig sind, doch im weiteren Verlauf der Erzählung wird dieser Fakt völlig ausgeblendet. Schlimmerweise fangen Kinder auch noch an zu weinen und keiner weiß was man machen soll.
Wenn ich als Kind aus einem Krieg käme, hunderte Kilometer teilweise gelaufen wäre und in meinem Leben nur Leid und Elend gesehen hätte, dann kann man wie ich finde schon einmal weinen. Oder ist das für Flüchtlingskinder jetzt verboten – und wie war das nochmal mit den Traumata?
Nebenbei wird noch einmal in Richtung Inklusion ausgeholt:
Es ist eine Zerreißprobe, sagt Sonja. Eine Zerreißprobe zwischen der Betreuung einer ganzen Klasse und der individuellen Betreuung teils schwer traumatisierter Kinder. „Was meinst du, wie das erst mit der Inklusion wird?!“ lacht Sonja bitter.
Am Ende der Passage (danach kommt ein Absatz, den ich nicht mehr lesen konnte / wollte) wird noch einmal breit erzählt, wie ein Kind Wochenlang nur geweint hat und diese ganze Reaktion von der Lehrerin so gedeutet wurde, dass das Kind lediglich seinen Willen bekommen wollte, weil sie es – wie die Lehrerin schlussfolgerte – nicht anders gelernt hat.
Manchmal ist sie richtig wütend geworden und es hat sich gezeigt, dass da so etwas wie ein System für sie war, was sie vielleicht von zu Hause gelernt hat. Nach dem Motto: ‚Wenn ich hier einen auf komplett bockig mache, bekomme ich meinen Willen’.”
Lehrerin Sonja hat hier komplett richtig geschlussfolgert. Das kleine Prinzesschen hat zuhause (wenn es überhaupt ein Zuhause hat) immer ihren Willen bekommen. Das neuste Prinzessinnenschloss, die neuste Barbiepuppe und natürlich auch das tolle Tablet zum spielen.
Liebe Lehrerin Sonja. Ich versichere Ihnen, wenn es im Lehrerstudium eine Prüfung im Bereich Empathie gegeben hätte, wären Sie knallhart durchgefallen.
Ich habe mich nicht getraut den letzten Absatz zum Thema Pausenaufsicht zu lesen. Zu schlecht war mir bereits jetzt und ich habe nicht erwartet eine Besserung und Versachlichung des exklusiven Augenzeugenberichts zu lesen. Deshalb gab ich hier auf.
Alles in allem ein Artikel, auf den wieder hunderte Menschen eingehen und wie man in den Kommentaren lesen kann, zustimmen. Dort wird deutlich, dass Kommentatoren genauso empathielos und egoistisch sind. Alle Nebenprodukte dieser unsachlichen und unmenschlichen Flüchtlingsdebatte, die bei mir nur einen Würgereflex auslöst kommen hier wieder zum Ausdruck. Und dann nennen sie sich auch noch “besorgte Bürger”…
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Bild: dkalo